Wien (PK) – Die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments in
EU-
Angelegenheiten werden primär von drei Ausschüssen wahrgenommen, dem
EU-Hauptausschuss und dem EU-Unterausschuss des Nationalrats sowie
dem EU-Ausschuss des Bundesrats. Welche Vorbereitungen müssen vor
einer solchen Ausschusssitzung getroffen werden und wie gelangen die
EU-Vorlagen überhaupt ins Parlament? Die Parlamentskorrespondenz hat
mit den zuständigen Personen in der Parlamentsdirektion gesprochen,
um im Rahmen des Jahresschwerpunkts des Parlaments zum 30-Jahr-
Jubiläum des EU-Beitritts Österreichs einen Blick hinter die Kulissen
zu ermöglichen.

Ressorts müssen Informationen ans Parlament liefern

Im Vorfeld einer Ausschusssitzung gilt es zu entscheiden, über
welche EU-Vorhaben beraten werden soll. In regelmäßigen Treffen
zwischen den Expert:innen der Parlamentsdirektion und den EU-
Referent:innen der parlamentarischen Klubs werden die EU-Ausschüsse
koordiniert. Dabei werden die neu eingelangten Gesetzesvorschläge
mitsamt rechtlicher Vermerke zur Subsidiaritätskontrolle präsentiert.
Das Subsidiaritätsprinzip besagt nämlich, dass die EU nur Vorhaben in
jenen Bereichen erlassen darf, die nicht besser auf regionaler oder
staatlicher Ebene geregelt werden können. Sind die nationalen
Parlamente jedoch dieser Ansicht, haben sie ab dem Vorliegen eines EU
-Vorhabens acht Wochen Zeit, mit einer begründeten Stellungnahme –
auch Subsidiaritätsrüge genannt – dagegen Einspruch zu erheben. Dafür
sind unter anderem die EU-Ausschüsse da.

Die Terminfindung und Erstellung der Tagesordnung obliegt dann
der oder dem Ausschussvorsitzenden, wobei in der Praxis auf den
Konsens aller Fraktionen geachtet wird. Um dies sicherzustellen,
haben sich in der Praxis sogenannte “Rundläufe” etabliert, erläutert
Sandra Kusmierczyk, Ausschussreferentin der Abteilung für EU-
Angelegenheiten. Diese Rundläufe enthalten Entwürfe für
Tagesordnungen und müssen von allen Klubdirektor:innen abgezeichnet
werden, bevor weitere vorbereitende Schritte erfolgen können.

Sobald die Tagesordnung feststeht und somit klar ist, welche EU-
Vorhaben in einer Sitzung eines EU-Ausschusses beraten werden sollen,
fordern die Ausschussreferent:innen schriftliche Informationen aus
den Ressorts an, woraus unter anderem der aktuelle Verhandlungsstand
und die politische Positionierung Österreichs hervorgehen soll. Zur
Vorlage dieser Infos sind die zuständigen Regierungsmitglieder
verpflichtet. Sie werden dann an die Ausschussmitglieder
weitergeleitet und in die EU-Datenbank aufgenommen. Zumeist werden in
einem Ausschuss zwei bis vier EU-Vorhaben aus dem Wirkungsbereich
eines Ressorts verhandelt.

Im Ausschuss selbst diskutieren die Abgeordneten dann über die
jeweiligen EU-Agenden und haben neben der Subsidiaritätsrüge auch die
Möglichkeit, Mitteilungen an die EU-Kommission zu schicken sowie den
zuständigen österreichischen Minister:innen eine bestimmte
Verhandlungsposition vorzugeben (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 87
).

Die EU-Ausschüsse eint eine weitere Besonderheit: sie sind – im
Gegensatz zu den anderen Ausschüssen des Nationalrats und des
Bundesrats – grundsätzlich öffentlich. Laut Kusmierczyk nehmen
allerdings nur selten Interessierte an den Sitzungen teil.

Wie kommen die EU-Vorlagen ins Parlament?

Eine wesentliche Rolle für die Ausschussvorbereitung spielt die
EU-Datenbank, in die alle einlangenden EU-Vorlagen eingespeist und
somit für die Abgeordneten verfügbar werden. Sämtliche EU-Dokumente
sind darin erfasst. Pro Tag wächst die Datenbank um zirka 200
Dokumente. Dazu zählen jene der Europäischen Kommission, des
Europäischen Parlaments, des Europäischen Rechnungshofs und des
Europäischen Gerichtshofs, sowie tagesaktuell über das
Außenministerium eingespeiste Dokumente des Rates der EU. Berichte
und Beilagen sowie Arbeitsdokumente werden von den jeweiligen
Bundesministerien an die Datenbank gesendet.

Darum kümmert sich Brigitte Zwierschütz, die Leiterin der EU-
Datenbank im Parlament. Sie sorgt unter anderem dafür, dass bei den
Tagesordnungen der EU-Ausschüsse die Sitzungsdaten vermerkt und die
dazugehörigen Berichte verlinkt werden. Manchmal müsse über die
Dokumente in der EU-Datenbank Rücksprache mit den Ministerien
gehalten werden, etwa wegen fehlender Beilagen oder irreführender
Einschränkungsvermerke, berichtet sie. Immerhin sind einzelne
Dokumente nicht zur Veröffentlichung geeignet oder unterliegen einer
Geheimhaltungsstufe. Das betrifft etwa erläuterte Tagesordnungen im
Vorfeld eines EU-Gipfels. Sie sind als “limité” gekennzeichnet und
stehen nur einem eingeschränkten Personenkreis zur Verfügung.
Dokumente mit einer noch höheren Geheimhaltungsstufe gibt es nur in
Papierform.

Laut der Expertin würden besonders umfangreiche Dokumente in
Einzelteilen und teils unterschiedlichen Dateiformaten gesendet
werden, die dann in der Parlamentsdirektion zusammengefasst
beziehungsweise aufbereitet werden müssen. Laut der Bundesverfassung
haben die Ministerien das Parlament unverzüglich über alle EU-
Vorhaben zu unterrichten.

Die mit dem EU-Informationsgesetz 2012 auch gesetzlich verankerte
EU-Datenbank des österreichischen Parlaments ist allerdings nicht nur
ein zentrales Instrument für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte
des Nationalrats und des Bundesrats. Sie ist – mit Ausnahme der
klassifizierten Dokumente – öffentlich zugänglich und dient somit
ebenso als Informationsquelle für die interessierte Öffentlichkeit.
Zur optimalen Nutzung gibt es einen Leitfaden .

Das österreichische Parlament “auf Schatzsuche” in Brüssel

Die Parlamentsdirektion ist durch Sophie Velberg direkt im “Herz
der EU” vertreten. Seit fünf Jahren leitet sie die Verbindungsstelle
des österreichischen Parlaments in Brüssel und steht dadurch in
ständigem Kontakt mit dem Europäischen Parlament sowie den
Vertretungen der nationalen Parlamente. Sie kann die Infrastruktur
des Europäischen Parlaments sowohl in Brüssel als auch in Straßburg
nutzen. Die Kontaktpflege zählt zu ihren Haupttätigkeitsbereichen,
erzählt sie. Die nationalen Parlamente seien stets im informellen
Austausch darüber, wie mit verschiedensten Themen umgegangen wird.

Ihren Arbeitsalltag beschreibt sie als “Schatzsuche”. Immerhin
gehe es darum, die gesammelten Informationen rasch aufzubereiten und
“nach Hause zu liefern”, um die relevanten Stellen darauf aufmerksam
zu machen. Es gebe verschiedenste Informationsformate, vor allem aber
werden Berichte verfasst oder das regelmäßig erscheinende Dossier
“Neues aus Brüssel” . Außerdem betreut Velberg Termine und
Abgeordnete vor Ort. Etwa alle sechs Wochen kommt die
Verbindungsbeamtin nach Wien, zum Beispiel wenn EU-Ausschusssitzungen
stattfinden. Sofern bei den Debatten Stellungnahmen oder Mitteilungen
an die Kommission beschlossen werden, kommuniziert sie diese über das
Netzwerk der nationalen Parlamente “IPEX” . Umgekehrt lassen sich so
auch die Standpunkte anderer Parlamente zu EU-Agenden in Erfahrung
bringen. Die interparlamentarische Zusammenarbeit in der Europäischen
Union wird dadurch gestärkt. (Schluss) fan

HINWEIS: Das Parlament beleuchtet 2025 drei Meilensteine der
Demokratiegeschichte. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, vor
70 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und vor 30 Jahren
trat Österreich der EU bei. Mehr Informationen zum Jahresschwerpunkt
2025 finden Sie unter www.parlament.gv.at/kriegsende-staatsvertrag-eu
-beitritt .