Wien/Graz (OTS) – Die Ereignisse des gestrigen School-Shootings in
Graz lassen uns noch
heute fassungslos zurück. Wir trauern mit den Opfern, den Familien,
den Freundinnen und Freunden, den Lehrerinnen und Lehrern und allen,
die unmittelbar oder mittelbar von dieser Tat betroffen sind. Wir
konnten gestern erleben, wie im Bereich der psychologischen,
psychotherapeutischen sowie psychiatrischen Hilfen ein System bei
Anforderungen hochprofessionell agiert und den Betroffenen die
bestmögliche Unterstützung bietet. Dafür sei allen Einsatzkräften vor
Ort gedankt.

Bereits gestern stellte sich die Frage, welche Schlüsse aus den
Geschehnissen in Graz zu ziehen sein werden. Zum einen wird es in den
nächsten Wochen und Monaten darum gehen, dass all diejenigen, die
durch dieses Ereignis schwerwiegende psychische Belastungen erfahren
haben, auch die nötige Hilfe für diese Belastungen bekommen. Neben
der Akutversorgung wird es auch darum gehen, kostenfreie
psychotherapeutische Hilfsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Es ist
erwiesen, dass traumaspezifische Psychotherapieformen sowie
präventive Psychoedukation ein hohes Maß an Wirksamkeit haben und
dabei helfen können, auch schwere posttraumatische
Belastungsstörungen zu bewältigen oder auch gar nicht entstehen zu
lassen und ein gutes Leben weiterführen zu können. Es muss dafür
Sorge getragen werden, dass diese spezifischen Therapieformen auch
allen, die sie benötigen, kostenfrei sofort zur Verfügung gestellt
werden.

Bezüglich der Debatte über mögliche weitere Vorgehensweisen sind
in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ansätze erprobt worden.
Letztlich muss festgehalten werden, dass eine Politik der
verriegelten Schulen und der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, wie sie
etwa in den USA erfolgt ist, nicht zu einer Verbesserung der dortigen
Lage geführt hat. Es wird auch darüber zu reden sein, ob der Zugang
zu Waffen im Privatbesitz in Österreich einer strengeren Regulierung
unterliegen sollte. Ein solcher erschwerter Zugang zu Waffen hätte
auch positive Auswirkungen auf die Suizidrate, wie mehrfach in
verschiedenen Ländern gezeigt werden konnte.

Aus Sicht der ÖGKJP muss es darum gehen, den Bereich der
Schulpsychologie, -psychotherapie und Schulsozialarbeit zu stärken.
Nur so kann eine adäquate Prävention und Betreuung von belasteten
Kindern und Jugendlichen an Schulen gewährleistet werden. Darüber
hinaus müssen wir Schule nicht nur als Lernort für Wissen, sondern
auch als Lernort für Resilienz und als Ort der Kommunikation
verstehen, um Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten in einem
sozialen Netz auffangen und begleiten zu können. Aus Sicht der ÖGKJP
ist es sinnvoller, in längerfristige psychosoziale Unterstützung der
Schulen zu investieren als in kurzfristige Sicherungsmaßnahmen. Dazu
Univ.-Prof. Dr. Paul Plener, Präsident der ÖGKP: „ Wir brauchen an
Schulen mehr Sozialarbeiter: innen, Psycholog:innen und
Psychotherapeut:innen, nicht Sicherheitspersonal.“ In Tirol habe es
sehr positive Erfahrungen mit dem Projekt der Etablierung des
Projektunterrichts „psychische Gesundheit“ gegeben, berichtete Univ-
Prof. Dr Kathrin Sevecke aus Innsbruck. Univ.-Prof. Dr. Isabel Böge,
Prä-Präsidentin der ÖGKJP und Primarärztin der Kinder- und
Jugendpsychiatrie vor Ort, ergänzt: „ Wichtig ist, nicht nur, die
akuten Folgen jetzt in diesen Tagen zu sehen, die sehr professionell
von dem Krisenteam Steiermark begleitet werden, sondern die
Schülerinnen und Schüler, aber auch das Lehrpersonal in den nächsten
Wochen und Monaten zu begleiten. So können mögliche posttraumatische
Symptome, die sich in aller Regel nach 2 Wochen bis 6 Monaten
manifestieren, frühzeitig gesehen und niederschwellig mit
psychotherapeutischen Hilfen vor Ort aufgefangen werden. “
Entsprechende Termine werden an den Ambulanzen der Kliniken für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und bei den niedergelassenen
Kolleginnen und Kollegen zeitnah möglich sein.

Univ.-Prof. Dr. Böge weist darauf hin, dass auch
psychotherapeutische Sprechstunden an Schulen möglich sind, um einen
niederschwelligen Zugang für Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.