Wien (PK) – Das Parlament soll aktiv in die Bewerbung der Kandidatur
Österreichs
für einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat eingebunden
werden. Für den entsprechenden Vier-Parteien-Antrag gab es heute im
Außenpolitischen Ausschuss eine breite Mehrheit. Angesichts
zahlreicher internationaler Organisationen mit Sitz in Wien und
Österreichs Tradition als neutraler Vermittler sehen die Abgeordneten
eine besondere Verantwortung des Landes für den Multilateralismus.
Nur die FPÖ stimmte dagegen und bemängelte, dass die Kosten zu hoch
seien.
Von den Regierungsparteien mehrheitlich abgelehnt wurde eine FPÖ-
Initiative, in der mehr Transparenz bei der Finanzierung von
internationalen Organisationen durch private Akteure gefordert wird.
Auf der Tagesordnung stand zudem der von Außenministerin Beate
Meinl-Reisinger vorgelegte EU-Vorhabenbericht für das Jahr 2025. Als
zentrale außenpolitische Schwerpunkte der EU werden darin die weitere
Unterstützung der Ukraine, Bemühungen um Stabilisierung im Nahen
Osten, ein Neustart des Verhältnisses zwischen der EU und dem
Vereinigten Königreich sowie die durch US-Präsident Donald Trump auf
die Probe gestellten transatlantischen Beziehungen genannt, wie es im
Bericht heißt.
In Bezug auf den gestrigen Amoklauf an einer Grazer Schule sprach
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger von einer “unglaublichen Welle
der internationalen Anteilnahme”. Sie habe unzählige persönliche
Nachrichten von Amtskolleg:innen erhalten. Auch die UNO-Mission in
Wien habe sich der dreitägigen Staatstrauer angeschlossen. Unter den
Getöteten sei auch ein polnischer Staatsbürger. Zudem seien auch zwei
Personen aus Rumänien sowie eine weitere Person aus dem Iran unter
den Verletzten, zeigte sich die Ministerin bestürzt.
Parlament soll bei UNO-Sicherheitsratskandidatur eingebunden
werden
Geht es nach der ÖVP, SPÖ, NEOS und den Grünen, soll das
Parlament aktiv in die Bewerbung der Kandidatur Österreichs für einen
nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat für den Zeitraum 2027/2028
eingebunden sowie parlamentarische internationale Kontakte dafür
genutzt werden ( 278/A(E) ). Österreich könne auf seine Aktivitäten
als vertrauenswerter Partner bei Initiativen etwa bezüglich eines
Verbots von Massenvernichtungswaffen, Rechtsstaatlichkeit, Frauen und
Menschenrechten oder Friedenssicherung- und -förderung bauen, heißt
es in dem Vier-Parteien-Antrag. Angesichts zahlreicher
internationaler Organisationen mit Sitz in Wien und Österreichs
Tradition als neutraler Vermittler sehen die Abgeordneten eine
besondere Verantwortung des Landes für den Multilateralismus. Mit
einem nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat könne Österreich zudem
gezielt an der Eindämmung jener Krisen mitwirken, die maßgeblich zur
irregulären Migration beitragen würden.
Österreich sei für den Sitz hervorragend geeignet, zeigte sich
Alois Schroll (SPÖ) überzeugt. Der Antrag ziele darauf ab, den
Nationalrat und die Abgeordneten einzubinden bzw. mit Informationen
zu versorgen, sich auszutauschen und alle Netzwerke zu nützen, so
Karoline Edtstadler (ÖVP). Auch Nikolaus Scherak (NEOS) meinte, dass
Parlamentarier:innen einen wesentlichen Beitrag in diesem Bereich
leisten können. In Zeiten, in denen die internationale Ordnung massiv
angegriffen werde, sei eine klare Positionierung umso wichtiger,
unterstrich Meri Disoski (Grüne), daher unterstütze sie die
Kandidatur.
Es gehe auch darum, Stimmen für die Entscheidung zu werben, sagte
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Es freue sie daher, wenn das
Parlament das tatkräftig unterstütze. Es gehe um den Schulterschluss,
zu zeigen, welche aktive Rolle Österreich spiele.
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) meinte, man könne das Ansinnen zwar
prinzipiell unterstützen – aber ihr zufolge 20 Mio. Ꞓ für die
Bewerbung zu zahlen, wenn sonst gerade gespart wird, dem könne sie
nichts abgewinnen. Auch Peter Wurm (FPÖ) ist der Betrag zu hoch.
Außerdem erschließe sich ihm nicht, welchen Unterschied es
weltpolitisch mache, wer auf diesem “Sessel” sitze. Meinl-Reisinger
wies darauf hin, dass es auch darum gehe, die Interessen des Landes
zu vertreten.
FPÖ kritisiert fehlende Transparenz in der Finanzierung von
internationalen Organisationen
Mehrheitlich abgelehnt wurde ein FPÖ-Entschließungsantrag, in dem
ein jährlicher Bericht an den Nationalrat über österreichische
Geldflüsse an internationale Organisationen sowie mitwirkende
Vertreter:innen erstattet werden soll ( 231/A(E) ). Die
Freiheitlichen orten eine Zunahme an Geldflüssen von privaten
Akteuren mit globalen Interessen und warnen, dass es zu einer nicht
unproblematischen Aufhebung der Grenzen zwischen öffentlichen und
privaten Akteuren kommen würde und global tätige Stiftungen, NGOs und
Unternehmen über Gebühr politischen Einfluss zu nehmen drohen.
Ähnlich wie UNICEF und die WHO erhalte etwa auch der Europarat und
der Internationale Strafgerichtshof private Mittel. Damit sei nicht
sicher, dass Entscheidungen in internationalen Organisationen
unabhängig, transparent und demokratisch getroffen werden.
Es wäre interessant zu wissen, wie die Geldflüsse bei den
internationalen Organisation laufen, unterstrich Dagmar Belakowitsch
(FPÖ). Demgegenüber wiesen Alois Schroll (SPÖ) und Nikolaus Scherak (
NEOS) auf vorhandene, genaue Informationen im Budget hin, was Gelder
aus Österreich betrifft. Für Karoline Edtstadler (ÖVP) wäre die
Umsetzung außerdem überbordende Bürokratie. Meri Disoski (Grüne)
meinte, sie könne grundsätzlich nicht unterstützen, wenn
internationale Organisationen als “gefährliche Mächte” dargestellt
würden. Volle Transparenz sei im Budget gegeben, so Außenministerin
Meinl-Reisinger.
Ukraine, Naher Osten, Verhältnis zu Großbritannien und den USA im
Fokus der EU-Außenpolitik
Die EU habe im Februar 2025 Sanktionsverschärfungen gegen
Russland beschlossen und sei mit 134 Mrd. Ꞓ seit Kriegsausbruch
größte Unterstützerin der Ukraine, heißt es im EU-Vorgabenbericht für
2025, der von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen mehrheitlich zur Kenntnis
genommen wurde ( III-154 d.B. ). Für den Zeitraum 2024 bis 2027 habe
die EU zudem eine eigene Ukraine-Fazilität von 50 Mrd. Ꞓ ausgelegt.
Die Heranziehung von immobilisierten russischen Vermögenswerten von
EU-weit rund 210 Mrd. Ꞓ zur Unterstützung der Ukraine trage
Österreich ebenso mit wie sämtliche EU-Sanktionen gegen Russland. Mit
rund 1.000 Unternehmen ist Österreich laut dem Bericht der
sechstgrößte ausländische Investor und aktiv an den internationalen
Planungen des Wiederaufbaus beteiligt.
Mit Blick auf den Nahen Osten kündige die EU an, sich 2025
verstärkt im Gazastreifen einbringen zu wollen, sowohl mit
humanitären Hilfen als auch bei Verhandlungen über eine
Zweistaatenlösung. Seitens Österreichs unterstütze man Bemühungen zur
Normalisierung der Lage in der Region. Eine erzwungene Umsiedlung von
Palästinenser:innen aus Gaza wird allerdings als “völkerrechtswidrig”
bezeichnet und abgelehnt. Beim Neustart des Verhältnisses zwischen
dem Vereinigtem Königreich und der EU soll der Fokus neben
wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Kooperation etwa auf dem
Abschluss eines Jugendmobilitätsabkommens liegen.
Vor dem Hintergrund der durch US-Präsident Donald Trump auf die
Probe gestellten transatlantischen Beziehungen müsse die EU zum einen
ihre Interessen im Handelsbereich verteidigen, zum anderen konkrete
außenpolitische Kooperationen mit den USA anstreben. Ein abgestimmtes
Auftreten erwarte die EU zudem im Verhältnis zu China, dem Nahen
Osten und dem Westbalkan, informiert der Bericht.
Meinl-Reisinger: EU muss in der Lage sein, sich selbst zu
schützen
Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas sei aufgrund des
“brutalen Angriffskriegs Russlands auf europäischem Boden” von großer
Bedeutung, hielt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger im Ausschuss
gegenüber David Stögmüller (Grüne) und Andreas Minnich (ÖVP) fest.
Ziel sei es, bis 2030 2 % des BIP für die Verteidigung der EU-Staaten
bereitzustellen. Für Österreich und Europa sei ein gemeinsam
organisierter Schutz die beste Lösung. Damit wolle man in der Lage
sein, sich gegen unterschiedliche Bedrohungsarten selbst zu schützen,
so Meinl-Reisinger.
Was den Wiederaufbau der Ukraine betrifft, müsse Österreich dabei
ein verlässlicher Partner sein, so die Außenministerin. Die trotz des
andauernden Krieges bereits beginnende Wiederaufbauplanung dürfe aber
nicht nur mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Russland müsse
als Aggressor “zur Kasse gebeten” und privates Kapital miteinbezogen
werden. Die Außenministerin ortete dabei große Chancen für
österreichische Unternehmen. Gleichzeitig müsse die EU in Bezug auf
die Wettbewerbsfähigkeit “an Schlagkraft zurückgewinnen” und
Abhängigkeiten, etwa beim Zugang zu Ressourcen, reduzieren, so die
Außenministerin. Großes Potential sehe sie dazu etwa in der
Vollendung des Binnenmarkts.
Debatte über Krieg in der Ukraine, EU-Erweiterung,
Menschenrechte, Mercosur und Situation in Gaza
Die EU beschreite in mehreren Dimensionen Irrwege, betonte Axel
Kassegger (FPÖ) in seiner Wortmeldung. Das betreffe den Umgang mit
dem Krieg in der Ukraine, den EU-Migrationspakt, die “pauschale
Erweiterung” rund um die Westbalkanstaaten, der Ukraine, Georgien
sowie Moldau, die EU-Klima- und Energiepolitik sowie den Ausbau der
europäischen Rüstungsindustrie. Das sah die Außenministerin anders.
Die Unterstützung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine durch Europa
sei richtig, der Preis für die Fortführung des Krieges müsse für den
russischen Präsidenten höher sein, als in Friedensverhandlungen
einzutreten, so die Ministerin. Meinl Reisinger begrüßte die
Friedensbemühungen des US-Präsidenten, der damit eine neue Dynamik in
den Konflikt gebracht habe. Der EU-Migrationspakt inkludiere wichtige
österreichische Interessen, wie einen robusten Außengrenzschutz oder
Kooperationen mit Drittstaaten.
Was die Sanktionen gegenüber Russland betrifft, sei derzeit das
18. Paket in Verhandlung. Dieses enthalte Maßnahmen gegen die
russische Schattenflotte, gegen Einzelpersonen sowie Beschränkungen
der Energieeinnahmen Russlands. Die Sanktionen würden Russland sehr
wohl treffen, die wirtschaftliche Lage sei “alles andere als rosig”,
so Meinl-Reisinger gegenüber Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm (
beide FPÖ). Für die FPÖ-Abgeordneten haben die Sanktionen ihre
Wirkung verfehlt und zu einem Wohlstandsverlust in Europa geführt.
Österreich habe bisher 327 Mio. Ꞓ an bilateraler Unterstützung
für die Ukraine und ihrer Nachbarländer zur Verfügung gestellt,
erklärte die Ressortchefin gegenüber Ausschussvorsitzender Petra Bayr
(SPÖ), Meri Disoski (Grüne) und Johannes Schmuckenschlager (ÖVP), die
sich ebenfalls zur Ukraine zu Wort gemeldet hatten. Diese
Unterstützung werde weitergehen. Im aktuell diskutierten
Budgetvoranschlag seien dazu unter anderem 10 Mio. Ꞓ an Sondermitteln
eingeplant, die etwa für Entminungsprojekte und für die Errichtung
von Schutzräumen verwendet werden sollen.
Statt einem verlässlichen Partner sei Russland zu einem
Sicherheitsrisiko geworden, antwortete Meinl-Reisinger ÖVP-Mandatar
Rudolf Taschner, der für eine “vernünftige und strategische
Außenpolitik Europas” plädierte, die Wirtschafts- und
Sicherheitsbelange miteinschließen solle.
Zur Frage von Meri Disoski (Grüne), ob sie Medienberichte zum
Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 16. Juni
in Wien bestätigen könne, erklärte die Außenministerin, dass es dazu
Gespräche gebe. Aus Sicherheitsgründen könne sie dazu aber keine
Details bekannt geben.
Von Pia Maria Wieninger (SPÖ) auf den EU-Beitrittsprozess der
Westbalkanländer angesprochen, betonte die Ministerin, dass dieser in
diversen Bereichen von Österreich unterstützt werde, die Länder aber
auch Reformen “liefern” müssten. Ein Beitritt sei von hohem
wirtschaftlichen Interesse Österreichs. Zudem gebe es kein Fast-Track
-Verfahren für manche Länder, wie es etwa bei der Ukraine kolportiert
werde.
Die Menschenrechte seien “ein Garant, um in Freiheit leben zu
können”, so die Ministerin zu Karoline Edtstadler (ÖVP). Für die
Außenministerin geht es insbesondere um den Schutz der liberalen
Demokratie, der freien Marktwirtschaft sowie der europäischen
Einigkeit, die alle aktuell stark unter Druck geraten würden.
Da sich laut Nikolaus Scherak (NEOS) durch die Zollankündigungen
des US-Präsidenten der Blick auf das Mercosur-Freihandelsabkommen
geändert habe, interessierte sich der NEOS-Mandatar für den aktuellen
Stand der Verhandlungen. Ihr sei die Beschlusslage des Parlaments
bewusst, durch die aktuelle globale Lage sei es aber für Europa
entscheidend, neue Märkte zu erschließen, antwortete die
Außenministerin. Damit könne es auch möglich sein, höhere soziale und
ökologische Standards durchzusetzen.
Zur Lage in Gaza hielt Muna Duzdar (SPÖ) fest, dass
diplomatischer und politischer Druck auf Israel zur Einhaltung des
humanitären Völkerrechts “dringend notwendig” sei. Dazu gehöre auch
eine mögliche Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU
und Israel. Die Außenministerin sah darin keine Lösung, es gehe
darum, den Dialog aufrechtzuerhalten. Israel habe das legitime Recht
zur Selbstverteidigung, müsse aber das humanitäre Völkerrecht
einhalten. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) mbu/med/soh