Wien (OTS) – Ab dem 12. Juni 2025 präsentiert die neue
Sonderausstellung im
Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek unter dem Titel
„Die Macht der Worte. Herrschaft und kulturelle Vielfalt im antiken
Ägypten“ mit über 90 Exponaten die verschiedenen Sprachen, die von
etwa 1500 v. Chr. bis 1000 n. Chr. in Ägypten gesprochen und
geschrieben wurden. Die originalen Schriftstücke auf Papyrus,
Pergament und Papier beleuchten die verschiedenen Sprachtraditionen
im historischen und gesellschaftlichen Wandel. Sie geben zu erkennen,
wie unterschiedliche Sprachen sich überlagerten und simultan
nebeneinander bestanden. Dabei zeigt sich das kulturhistorische
Phänomen, wie ein Land über Jahrhunderte hinweg parallel eine Sprache
der Herrschaft und eine Volkssprache pflegte.

In der neuen Ausstellung geht es auch darum, Bezüge zu unserer
Gegenwart herzustellen. Multiethnische und vielsprachige
Gesellschaften sind keine Neuheit; es gab sie in den verschiedensten
Ausprägungen in vielen Epochen und Regionen. Diversität, die
Begegnung von unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen
Traditionen, ein toleranter Dialog sind eine höchst aktuelle
Thematik. Die repräsentative Auswahl an Exponaten illustriert das
Aufeinandertreffen verschiedener Sprach- und Kulturkreise im antiken
Ägypten anhand der umfangreichen Überlieferung der hellenistischen
und römischen, byzantinischen und früharabischen Epoche. Die
Schriftstücke dokumentieren sowohl die wechselhafte politische
Geschichte dieses Landes als auch dessen sprachliche und kulturelle
Pluralität über einen langen Zeitraum hinweg.

Die sprachliche Landschaft Ägyptens war zu allen Zeiten
vielschichtig. Das Aufeinandertreffen verschiedener Sprach- und
Kulturkreise bewirkte, dass Mehrsprachigkeit weithin den Alltag
bestimmte. Ein Teil der Bevölkerung bewegte sich gleichzeitig in zwei
Sprachtraditionen und kulturellen Identitäten. Zahlreiche bilinguale
Texte veranschaulichen, wie das Aufeinandertreffen verschiedener
Sprach- und Kulturkreise neue soziale Realitäten schuf und weite
Kreise der Bevölkerung mehrsprachig agierten.

Sprache der Macht

Seit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen und der
ihm nachfolgenden Dynastie der Ptolemäer war Griechisch über tausend
Jahre lang die Sprache der Herrschaft und Verwaltung, während die
einheimische Bevölkerung weiterhin Ägyptisch kommunizierte. Als
Ägypten eine Provinz des Römischen Reiches wurde, brachten die neuen
Herrscher Latein mit, das jedoch lediglich in den Büros des
Statthalters und hohen Finanzprokuratoren sowie als Kommandosprache
des Militärs verwendet wurde. Innerhalb einer regionalen und lokalen
Verwaltung blieb Griechisch weiterhin die Amtssprache, und
Rechtsurkunden wurden bis weit in die Kaiserzeit auch in demotischer
Sprache von den römischen Gerichten akzeptiert. Erst etwa 700 Jahre
später änderten sich die Verhältnisse, als Ägypten unter die
Herrschaft des expandierenden Kalifats kam. Es dauerte allerdings
Generationen, bis Arabisch, die Sprache der Eroberer, das Griechische
zunächst als Verwaltungssprache und schließlich auch als
Verkehrssprache ablöste. Das Ägyptische in seiner spätantiken
Prägung, dem Koptischen, blieb daneben noch für Jahrhunderte die
maßgebliche Sprache jenes Teiles der Bevölkerung, der weiterhin dem
Christentum anhing. Nachdem Ägypten über tausend Jahre lang ein
zweisprachiges Land mit Ägyptisch und Griechisch gewesen war, blieb
es für weitere hunderte Jahre ein bilinguales Land mit Koptisch und
Arabisch, bis letzteres sich schließlich als alleinige Landessprache
durchsetzte.

Kommunikation zwischen Herrschern und Beherrschten

Herrscherbriefe, Petitionen, Rechtsurkunden und Briefe zeigen,
wie eine Gesellschaft über Epochen hinweg damit umging, dass die
Sprache der Herrscher nicht dieselbe war wie jene der überwiegenden
Mehrheit der Bevölkerung. Die in der neuen Sonderausstellung
gezeigten und erläuterten Urkunden dokumentieren, wie sich die
Kommunikation zwischen Herrschern und Beherrschten im Laufe der Zeit
und über die Sprachgrenzen hinweg gestaltet hat. Dieser
vielschichtigen Thematik nähert sich die Ausstellung im Papyrusmuseum
der Österreichischen Nationalbibliothek einerseits dadurch, dass die
Anwendungsbereiche der unterschiedlichen Sprachen in ihrer
chronologischen Abfolge umrissen werden. Andererseits wird
beleuchtet, wie die Sprache der Machthaber in der Interaktion mit der
Bevölkerung verwendet wurde — und umgekehrt, mit welcher Sprache sich
die Menschen an ihre Herrscher und Behörden wandten. Die Macht der
Sprache wird sodann in unterschiedlichen Anwendungsbereichen
untersucht, wie etwa dem Wirtschaftsleben, dem Rechtsverkehr, dem
Steuerwesen oder den unter Eid geleisteten Aussagen.

Ausstellungsinformationen

Die Macht der Worte

Herrschaft und kulturelle Vielfalt im antiken Ägypten

Sonderausstellung im Papyrusmuseum der Österreichischen
Nationalbibliothek,

Heldenplatz, Neue Burg, 1010 Wien

Kuratiert von Dr. Bernhard Palme und Dr. Angelika Zdiarsky

12. Juni 2025 – 3. Mai 2026
Di–So: 10–18 Uhr, Do: 10–21 Uhr
Eintritt: Ꞓ 6,- / Führung: Ꞓ 5,- / Ermäßigungen / Freier Eintritt für
alle unter 19 Jahren
Ausstellungskatalog „Die Macht der Worte. Herrschaft und kulturelle
Vielfalt im antiken Ägypten” hg. von Bernhard Palme und Angelika
Zdiarsky. Wien: Phoibos Verlag, 2025. Ꞓ 34,-