Wien/Brüssel (OTS) – Seit einigen Monaten attackieren ÖVP-Abgeordnete
auf Bundes- und EU-
Ebene zivilgesellschaftliche Organisationen. Heute hat die
Europäische Volkspartei gemeinsam mit den europäischen Rechten und
extremen Rechten – gegen die Stimmen der Liberalen, Sozialdemokraten
und Grünen – die Einsetzung einer NGO-Kontrollgruppe im EU-Parlament
beschlossen, die die widerlegten Anschuldigungen gegen die
Zivilgesellschaft weiter thematisieren soll – und damit die Kampagne
institutionalisiert.
„Das ist ein weiterer Dammbruch im Umgang mit NGOs und der
kritischen Zivilgesellschaft in Europa. Seit Monaten gehen
Abgeordnete der ÖVP in Österreich und der EU gegen unabhängige NGOs
vor. Jetzt machen sie dabei sogar gemeinsame Sache mit den extremen
Rechten im EU-Parlament“, kritisiert Leonore Gewessler,
Klimaschutzsprecherin der Grünen. „Es ist mehr als bezeichnend, dass
die ÖVP versucht, ihr unliebsame Expert:innen zu diskreditieren,
während sie in Brüssel daran arbeitet, Klima- und Sozialgesetze wie
das Lieferkettengesetz oder die Entwaldungsverordnung zu verwässern.”
„Während die Industrielobby jährlich hunderte Millionen Euro für
Lobbyarbeit ausgibt, versuchen die Rechten und Konservativen,
kritische Stimmen der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen”,
sagt Lena Schilling, grüne Europaabgeordnete. „Heute hat die
Volkspartei gemeinsam mit Rechtsaußen-Parteien den Angriff auf die
europäische Zivilgesellschaft salonfähig gemacht. Was hier passiert,
ist keine Kontrolle – es ist politische Einschüchterung. Die
Konservativen übernehmen das Drehbuch von Viktor Orbán: Erst werden
NGOs unter Generalverdacht gestellt, dann die Medien, am Ende die
Demokratie selbst. Ich frage mich ernsthaft: Was kommt als Nächstes?
Wem wird es als Nächstes an den Kragen gehen? Der Caritas oder
vielleicht dem Roten Kreuz?“, so Schilling.
In zahlreichen Aussendungen suggeriert die ÖVP seit Monaten, dass
es schärfere Transparenzregeln für NGOs brauche und diese sogar von
der EU-Kommission in geheimen Verträgen angestellt würden, um für
mehr Umwelt- und Naturschutz zu lobbyieren. Das Medium Politico
analysierte zahlreiche Verträge und widerlegte die Behauptung. Auch
die EU-Kommission wies den Vorwurf zurück.
Tatsächlich werden unter dem LIFE-Programm jährlich 15,6
Millionen Euro für NGOs im Umweltbereich bereitgestellt, mit denen
Studien beauftragt, Öffentlichkeitsarbeit betrieben oder
Veranstaltungen organisiert werden. Ein kleiner Betrag, verglichen
mit dem Lobbybudget der Industrie. Allein die 50 Unternehmen mit den
höchsten Lobbybudgets gaben im Jahr 2024 zusammen rund 200 Millionen
Euro für Lobbyarbeit in der EU aus.
Die Vergabe der EU-Mittel an NGOs erfolgt auf Grundlage einer
wettbewerblichen Bewertung gemäß der LIFE-Verordnung, der
Haushaltsordnung und der entsprechenden Ausschreibungen. Die
Empfänger:innen müssen strenge Rechenschaftspflichten erfüllen,
einschließlich Monitoring, Berichterstattung und Prüfungen, um eine
transparente Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen. Viele
NGOs setzen sich seit Jahren selbst für mehr Transparenz in den EU-
Institutionen ein. In einem kürzlich veröffentlichten EU-
Rechnungshofbericht wird auch mehr Transparenz gefordert, darin
wurden jedoch weder Fehlverhalten noch finanzielle Unregelmäßigkeiten
oder Missbrauch von EU-Mitteln durch NGOs festgestellt.
Für die Grünen ist klar: „Unabhängige und starke NGOs sind in
einer lebendigen Demokratie unerlässlich. Die
Einschüchterungsversuche der ÖVP erinnern mehr an Methoden à la Orbán
als an die Grundprinzipien einer ehrlichen, demokratischen Debatte.
Dieses Schauspiel ist der christlich-sozialen Tradition der
Volkspartei unwürdig und muss schnellstmöglich beendet werden“,
appellieren die beiden Grünen Politikerinnen an ÖVP-Parteichef
Christian Stocker.