Wien. (OTS) – Die Situation in der Ukraine wird anlässlich des ersten
Besuchs von
Präsident Selenskyj in Österreich seit dem Kriegsbeginn 2022 Thema
politischer Gespräche mit der Staatsspitze sein. „Wir begrüßen jede
Initiative, die es zum Ziel hat, diesen Krieg endlich zu beenden und
Frieden zu schaffen“, sagt Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB (
Österreichischer Gewerkschaftsbund) und EGB (Europäischer
Gewerkschaftsbund): „Der ÖGB unterstützt die ukrainischen
Gewerkschaften, die in ihren Gebäuden Flüchtlinge beherbergen und
versorgen, seit der ersten Woche der russischen Invasion mit
Sachspenden.“
Der intensive Austausch mit den Gewerkschaften in der Ukraine
mache aber auch klar, dass Entwicklungen in der Ukraine, die nichts
mit den Konsequenzen des russischen Angriffskriegs zu tun haben,
Anlass zu ernster Sorge geben: Der Präsident des größten ukrainischen
Gewerkschaftsbundes FPU, Grigoriy Osovyi, wurde Anfang April
festgenommen und musste eine Nacht in Haft verbringen, weil er
angeblich einer „kriminellen Organisation“ angehört – gemeint ist die
FPU. Anfang Juni berichtete die FPU von der Besetzung ihrer
Gewerkschaftszentrale am Maijdan in Kiew, alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mussten demnach das Haus verlassen und dürfen es seither
nicht mehr betreten. Den Vorwürfen gegen die FPU liegt ein
Immobilienverkauf aus dem Jahr 2018 zugrunde, der jetzt
offensichtlich instrumentalisiert wird, um unter dem Vorwand des
Kriegsrechts eine Enteignung von Gewerkschaftsvermögen zu
ermöglichen.
„Die Festnahme des Präsidenten des größten ukrainischen
Gewerkschaftsbundes FPU und die Beschlagnahme ihres Gebäudes sind der
vorläufige Höhepunkt einer zunehmend repressiven Linie der
ukrainischen Regierung gegenüber unabhängigen, demokratischen
Gewerkschaften“, sagt Katzian: „Das ist ein massiver Angriff auf die
stärkste Interessenvertretung der ukrainischen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, in einer extremen Ausnahmephase, in denen viele wegen
des Kriegs berechtigte Existenzsorgen haben.“
Die Gewerkschaften Europas verfolgen diese Vorgänge mit Sorge,
der EGB ist alarmiert. „Dieses Vorgehen ist nicht vereinbar mit den
Werten, für die Europa steht. Freie und unabhängige Gewerkschaften
sind unerlässlich für eine funktionierende Zivilgesellschaft und
Demokratie“, so Katzian abschließend: „Gewerkschaftsrechte,
Eigentumsschutz und sozialer Dialog müssen auch unter
Kriegsbedingungen uneingeschränkt respektiert werden. Ich erwarte
mir, dass diese Repressalien gegen eine freie Gewerkschaft vor dem
Hintergrund der EU-Beitrittsperspektive der Ukraine und des laufenden
Annäherungsprozesses im bilateralen Dialog morgen thematisiert
werden. Ich fordere im Namen von EGB und ÖGB die Einstellung der
Ermittlungen gegen Präsident Osovyi und die Rücknahme aller
Sanktionen gegen den ukrainischen Gewerkschaftsbund.“