Wien (PK) – Als Konsequenz des Amoklaufs an einer Grazer Schule
vergangene Woche
haben die Regierungsspitzen heute im Nationalrat ein Maßnahmenpaket
vorgestellt. Ein 21-Jähriger hat in seiner ehemaligen Schule zehn
Menschen getötet und sich danach selbst erschossen. Das Paket soll
laut den Regierungsspitzen noch diese Woche im Ministerrat
beschlossen werden und etwa einen Entschädigungsfonds für Betroffene,
den möglichen Verzicht auf die anstehende mündliche Matura, erhöhte
Polizeipräsenz vor Schulen sowie die Aufstockung der
schulpsychologischen Betreuung in ganz Österreich beinhalten. Zudem
soll es zu einer Verschärfung des Waffengesetzes sowie zu einem
verbesserten Datenaustausch zwischen den Behörden kommen.

Um diese Schritte zu untermauern, hat sich der Nationalrat mit
breiter Mehrheit – ohne die Stimmen der FPÖ – für einen von den
Regierungsparteien vorgelegten Entschließungsantrag ausgesprochen.
Darin wird die Bundesregierung ersucht, ein umfassendes
Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Ereignisse des Amoklaufs
vorzulegen. So sollen etwa kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen für
Betroffene sowie mittel- bis langfristige Vorkehrungen zur
Verhinderung vergleichbarer Taten enthalten sein. Die Freiheitlichen
sprachen sich gegen “schnelle Lösungen aus”. Es gehe darum, das Recht
auf Sicherheit und Schutz mit dem Recht auf Freiheit “unter einen Hut
zu bringen”.

Keine Mehrheit fand ein weiterer Entschließungsantrag der Grünen,
die sich für ein generelles Verbot des privaten Waffenbesitzes
aussprechen.

Am Beginn der Sitzung hielten die Abgeordneten eine Trauerminute
zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs ab.

Rosenkranz: Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden

Ganz Österreich trauere um die Opfer und mit den Familien des
Amoklaufs in Graz, hielt Nationalratspräsident Walter Rosenkranz zu
Beginn der Sitzung fest. Neun “lebensfrohe Schülerinnen, Schüler” und
eine Lehrerin seien “wahllos ermordet” worden. Zudem seien elf
weitere Opfer schwer verletzt worden. Der Nationalratspräsident – wie
auch zahlreiche folgende Rednerinnen und Redner – dankte den Einsatz-
und Rettungskräften, dem medizinischen Personal, den Lehrerinnen und
Lehrern sowie allen anderen Menschen, die im Rahmen der Trauerarbeit
Trost und Beileid spenden würden. Er höre die Stimmen vieler Menschen
in Österreich, die nach dieser Tragödie klare Forderungen an die
Politik stellen würden, so Rosenkranz weiter. Dieser Verantwortung
müsse und werde man nun gerecht werden.

Stocker: Müssen die richtigen Lehren ziehen, um solche Taten
bestmöglich zu verhindern

Bundeskanzler Christian Stocker sprach von einer “nationalen
Tragödie”, die eine Zäsur in Österreich darstelle. Neun junge
Menschen und eine Lehrerin seien “auf brutalste Art und Weise aus dem
Leben gerissen worden”. Es handle sich um Tage der Trauer für das
ganze Land. Auch der Bundeskanzler, genauso wie danach Vizekanzler
Andreas Babler und Außenministerin Meinl-Reisinger, sprach seinen
Dank an alle rund um den Amoklauf beteiligten Kräfte aus. In einer
solchen Situation zeige sich, was Österreich ausmache: “eine
Gesellschaft der Verantwortung, des Respekts und der Menschlichkeit”,
zeigte sich Stocker beeindruckt.

Nun gehe es darum, die richtigen Lehren zu ziehen, um künftig
ähnliche Vorfälle bestmöglich zu verhindern. Die Bundesregierung
komme dieser Verantwortung nach, indem man noch diese Woche ein
“umfangreiches Maßnahmenpaket” im Ministerrat beschließen wolle.
Dieses soll laut dem Bundeskanzler unmittelbare unbürokratische
Unterstützung für die Betroffenen in Form eines Entschädigungsfonds
zur Abdeckung von Begräbniskosten, für psychologische Betreuung sowie
für gezielte Maßnahmen an der Schule beinhalten. Weiters soll den
Schüler:innen ein möglicher Verzicht auf die anstehende mündliche
Matura ermöglicht und die Polizeipräsenz vor Schulen erhöht werden.
Stocker nannte die Aufstockung der schulpsychologischen Betreuung in
ganz Österreich einen weiteren Schwerpunkt. Diese dürfe künftig nicht
mehr die Ausnahme, sondern müsse die Regel sein. Zudem soll es zu
verpflichtenden Beratungsgesprächen mit Schulabbrecher:innen und zur
Stärkung der Sicherheits- und Präventionskonzepte der Schulen kommen.

Was den Bereich des Waffengesetzes betrifft, sprach sich Stocker
für strengere Eignungsvoraussetzungen für den Waffenbesitz und für
Einschränkungen für Risikogruppen aus. Ergänzend müsse der
Datenaustausch zwischen den Behörden verbessert werden. Ihm sei klar,
dass nichts von all dem die Ermordeten zurückbringen und das Leid der
Familien lindern werde, unterstrich der Bundeskanzler. Die große
Welle der Solidarität gebe aber Hoffnung, dass die Gesellschaft
zusammenhalte, wenn es darauf ankomme.

Babler: Werden deutliche Verschärfung des Waffengesetzes in die
Wege leiten

Das ganze Land trauere “in diesen dunklen Zeiten” mit den Eltern,
Angehörigen und Freund:innen der Opfer, erklärte Vizekanzler Andreas
Babler. Er spüre einen starken Zusammenhalt in der Gesellschaft, das
habe vor allem Graz in den letzten Tagen bewiesen, so Babler. Es sei
die Pflicht des Staates, seine Kinder zu schützen und Sicherheit in
den Schulen zu gewährleisten. Deshalb werde die Bundesregierung in
den kommenden Tagen eine deutliche Verschärfung des Waffengesetzes in
die Wege leiten und durch die Einrichtung eines Entschädigungsfonds
versuchen, bestmöglich für die Betroffenen da zu sein. Zudem werde es
eine “massive Aufstockung” der Schulpsychologie geben müssen, so
Babler. Auch der Vizekanzler betonte, dass damit Geschehenes nicht
rückgängig gemacht werden könne, die Bundesregierung damit aber
Verantwortung übernehme.

Meinl-Reisinger: Werden die Opfer des 10. Juni nicht vergessen

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich fassungslos und
von der “tiefen Trauer und vom Mitgefühl des ganzen Landes” der
vergangenen Tage beeindruckt. Die Bundesregierung werde “die Opfer
des 10. Juni” nicht vergessen, so Meinl-Reisinger weiter. Es sei ihre
Aufgabe, die Tat vollständig aufzuklären und die Konsequenzen daraus
zu ziehen. Mit dem nun angekündigten Maßnahmenpaket handle man
“entschlossen” um rasch unbürokratische Unterstützung für akut
Betroffene zu ermöglichen, “dringend notwendige Verschärfungen von
Gesetzen” vorzunehmen sowie Schritte für ein verstärktes
Präventionsnetz zu setzen, so die Außenministerin. Man nehme als
Bundesregierung die Verantwortung wahr, Sorge zu tragen, dass sich
solch “schreckliche Taten” nicht wiederholen.

FPÖ: Vernünftige statt schnelle Lösungen

Die Folgen der Tat in Graz seien “das Schlimmste” was einem
Menschen als Angehörigem geschehen könne, betonte FPÖ-Klubobmann
Herbert Kickl. Er sei mit seinen Gedanken und Gebeten bei den Opfern
und Hinterbliebenen. Die Politik könne das Leid nicht ungeschehen
machen, es sei aber ihre Aufgabe, es ein wenig zu lindern. Auch Kickl
dankte allen Einsatzkräften, die alle einen Beitrag dazu geleistet
hätten, so rasch wie möglich einzugreifen. Bei der Frage, was zu tun
sei, um solche Ereignisse zu verhindern, steht man laut dem FPÖ-
Klubobmann vor der Herausforderung, das Recht auf Sicherheit und
Schutz mit dem Recht auf Freiheit “unter einen Hut zu bringen”. Für
Kickl ist es daher noch nicht an der Zeit, mit Maßnahmen Lösungen zu
versprechen. Er forderte “sorgfältige Überlegungen” und in der Folge
“entschlossenes Handeln”.

Dem schloss sich FPÖ-Mandatar Gernot Darmann an. Es gehe nicht um
schnelle, sondern um vernünftige Lösungen. Emotionen seien
nachvollziehbar, die Politik müsse aber die Sachlichkeit in den
Vordergrund stellen. Darmann plädierte zudem dafür, Budgetkürzungen
im Sicherheitsbereich zu überdenken. Für neue polizeiliche Aufgaben
brauche es zusätzliche Mittel.

ÖVP: Dürfen nicht zulassen, dass sich Menschen radikalisieren und
isolieren

Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sprach von “einer der traurigsten
Stunden des Parlaments”. Es handle sich um “einen Angriff auf das
friedliche Zusammenleben, auf unsere Werte und auf unsere Schulen”.
Der Amoklauf sei ein “Weckruf” für die Politiker:innen und für die
Gesellschaft, es nicht zuzulassen, dass sich Menschen radikalisieren
und isolieren würden. Der Schlüssel dazu sei Prävention. Die ÖVP-
Abgeordnete begrüßte die nun von der Bundesregierung vorgestellten
“faktenorientierten Maßnahmen”.

Die Parlamentarier:innen als gewählte Repräsentant:innen der
Bevölkerung müssten sich die Frage stellen, welche Regeln es zu
verändern gebe, um die Wahrscheinlichkeit “für solch unfassbare
Taten” so gering wie möglich zu halten, erklärte Ernst Gödl (ÖVP).
Der ÖVP-Abgeordnete brachte dazu einen gemeinsam von den
Regierungsparteien formulierten Entschließungsantrag ein, der im
Wesentlichen die von den Regierungsspitzen angekündigten Maßnahmen
beinhaltet und – ohne die Stimmen der FPÖ – breite Zustimmung fand.

SPÖ: Müssen Verschärfung des Waffengesetzes rasch diskutieren

Der Amoklauf habe “Schock, Fassungslosigkeit, Trauer und
Mitgefühl hinterlassen”, betonte Karin Greiner (SPÖ). Mit dem von der
Bundesregierung vorgestellten und von Greiner begrüßten
Maßnahmenpaket sei die Bundesregierung aber bereits ins Handeln
gekommen. Zur Verschärfung des Waffengesetzes hielt die SPÖ-
Abgeordnete fest, dass man diese Diskussion rasch führen werde müsse.
Zudem sei der Datenaustausch zwischen den Behörden zu kompliziert und
zu langsam. Greiner sprach den Appell aus, nicht bei Gewalt- und
Extremismusprävention zu sparen.

Für Verena Nussbaum (SPÖ) gilt es, sich die Frage zu stellen,
warum es in Österreich so einfach sei, an eine Waffe zu kommen, egal
in welchem Alter. Es gelte generell zu hinterfragen, wozu eine
Privatperson etwa eine Schrotflinte brauche. Je mehr Schusswaffen in
Umlauf seien, desto mehr Tote würde es dadurch geben, so Nussbaum.

NEOS: Datenschutz darf nicht vor dem Schutz vor Gewalt stehen

Sechs Tage nach den Morden sei es an der Zeit, über Konsequenzen
nachzudenken, betonte Veit Valentin Dengler (NEOS). Anfangen könnten
etwa auch die Politiker:innen bei sich selbst durch die Abrüstung von
Worten in inhaltlichen Auseinandersetzungen. Man dürfe zudem nicht
bei Symbolpolitik stehen bleiben. Dengler forderte etwa ein besseres
Zusammenspiel der Behörden, da in dem konkreten Fall ein Teil des
Staates nicht mit dem anderen kommuniziert habe. Trotz einer
Verweigerung des Dienstes mit der Waffe durch das Bundesheer im
Rahmen der Stellung, sei es für den Täter möglich gewesen, wenig
später zwei Waffen zu kaufen. Es dürfe nicht sein, dass Datenschutz
vor dem Schutz vor Gewalt stehe, so Dengler.

Ihre Gedanken seien bei den Eltern, Familien und Freund:innen,
die vergeblich darauf warten würden, dass ihre Kinder nach Hause
kommen, zeigte sich Fiona Fiedler (NEOS) bestürzt. Man sei in der
Verantwortung, rasch etwas zu verändern. Für die NEOS-Abgeordnete
geht es etwa darum, psychologische mit körperlicher Gesundheit
gleichzusetzen.

Grüne: Freiheit von Waffen, nicht für Waffen

Grünen-Klubobmann Werner Kogler zeigte sich beeindruckt, wie ganz
Graz mit der Tat umgehen würde. Auch die Versorgung der Verletzten
durch das medizinische Personal in den Krankenhäusern habe “perfekt”
funktioniert. Kogler sprach sich in diesem Fall klar für
Anlassgesetzgebung aus und plädierte für “die Freiheit von Waffen und
nicht für Waffen”. Hier müsse man zu einer Umkehr des Prinzips
kommen. Genauso wichtig wie schärfere Waffengesetze seien aber auch
Maßnahmen zu Gewaltprävention und schulpsychologischer Betreuung.

Ähnlich argumentierte Sigrid Maurer (Grüne). Die Politik müsse
den Erwartungen gerecht werden, “mit Mut und Konsequenz” Schritte zu
setzen, damit so eine Tat möglichst nie wieder passieren könne.
Maurer begrüßte zwar die angekündigten Sonderregelungen zur Matura
für die Grazer Schule sowie die psychologische Unterstützung, für die
Angeordnete braucht es aber ebenso einen “grundsätzlichen
Paradigmenwechsel zur Freiheit von Waffen”. Dazu brachte Maurer einen
Entschließungsantrag der Grünen ein, in dem ein generelles Verbot des
privaten Waffenbesitzes – mit Ausnahmen – gefordert wird. (
Fortsetzung Nationalrat) med

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
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