Wien (PK) – Den momentanen Besuch des ukrainischen Staatspräsidenten
Wolodymyr
Selenskyj in Österreich thematisierten die Freiheitlichen in der
heutigen Plenarsitzung des Nationalrats. Es sei “höchst
problematisch”, dass Österreich als neutrales Land Präsident
Selenskyj einen staatsaktartigen Empfang bereitet, kritisierten sie
und forderten ein Handeln “im Sinne der Neutralität” ein. Zudem sahen
sie in dem Besuch eine politische Inszenierung, um von dem
“Budgetdesaster” abzulenken. In 45 Fragen wollten sie daher mittels
Dringlicher Anfrage die Hintergründe dieses Staatsbesuchs erfahren.
Staatssekretär Alexander Pröll nahm in Vertretung des Kanzlers
Stellung und betonte, dass Neutralität nicht Passivität und
Gleichgültigkeit bedeute, sondern zu aktivem Eintreten für Frieden,
Dialog und internationale Rechtsordnung verpflichte.

FPÖ sieht verantwortungslose politische Inszenierung zum
Eigennutz aber nicht im Sinne Österreichs

Die Neutralität sei von allen Lösungen die beste für Österreich
und es brauche daher eine verantwortungsvolle Politik, die die
Neutralität lebt, forderte Anfragestellerin Susanne Fürst (FPÖ) in
ihrer Rede. Wenn man glaubhaft die Neutralität lebe, reduziere sich
auch die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs, zeigte sich die
Abgeordnete überzeugt. “Verantwortungslos” sei es hingegen, zum
Zeitpunkt der “totalen Eskalation” den Präsidenten einer Kriegspartei
einzuladen und ihn mit vollen militärischen Ehren zu begrüßen. Durch
ihre Unterstützung der Ukraine sei die Bundesregierung
“verantwortungslos”, gehe ein sehr großes sicherheitspolitisches
Risiko ein und missachte die Verpflichtung zur immerwährenden
Neutralität. Sie wäre vielmehr verpflichtet, Österreich aus dem Krieg
heraus zu halten und die Bevölkerung vor nachteiligen Folgen zu
schützen. Angesichts der von der Bundesregierung “tot getrampelten”
Neutralität sei der heutige Vorschlag von Vizekanzler Babler, Wien
als Austragungsort für Friedensverhandlungen zu positionieren,
sinnlos.

Zudem sei es für die Bundesregierung “praktisch”, parallel zur
Budgetsitzung einen Staatsbesuch zu organisieren, da dieser mediale
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dadurch werde vom “Budgetdesaster” und
den “unfairen Belastungen” abgelenkt. Dies sei eine politische
Inszenierung zum Eigennutz, aber nicht im Sinne Österreichs. Sie
hoffe, dass dies international als “Lachnummer” wahr und nicht ernst
genommen werde, so Fürst.

Mit den Unterstützungsmitteln Österreichs an die Ukraine wandere
ein “nicht unerheblicher Teil” des Steuergeldes in die Ukraine. Die
Österreicher:innen hätten sich aber nicht dafür entschieden und man
wisse angesichts von Korruption nicht, wo dieses Geld lande,
bemängelte Fürst. Zudem werde nur ein Bruchteil der Mittel für die
Lösung des Konflikts aufgebracht.

Die Vorgabe seitens der Regierungen und der EU-Kommission sei
weiter, dass die Ukraine kämpfen und gewinnen müsse. Die weitere
Eskalation und hundert Tausende an Toten würden dabei in Kauf
genommen. Der bisherige Kurs der EU und der Regierungen habe der
Ukraine jedenfalls nicht geholfen, sondern diese ins “Verderben”
geführt, sagte Fürst.

Staatssekretär Pröll: Besuch und Unterstützung der Ukraine sind
im Einklang mit der Neutralität

Neutralität bedeute nicht Passivität und Gleichgültigkeit,
sondern verpflichte zu aktivem Eintreten für Frieden, Dialog und
internationale Rechtsordnung, meinte demgegenüber der Staatssekretär
für Digitalisierung, Verfassung, öffentlichen Dienst, Koordinierung
und Kampf gegen Antisemitismus Alexander Pröll. Österreichs
Neutralität stehe der humanitären, finanziellen und politischen
Unterstützung der Ukraine daher nicht im Wege und die bilateralen
Kontakte mit der Ukraine seien im Einklang mit der Neutralität.
Österreich stehe seit Beginn des “brutalen Angriffskriegs” Russlands
auf der Seite der Ukraine als verlässlicher Partner, betonte er. Mit
Stand April seien seitens des Bundesministeriums für europäische und
internationale Angelegenheiten 294 Mio. Ꞓ für die bilaterale
staatliche finanzielle humanitäre Hilfe für die Ukraine und deren
Nachbarländer zur Verfügung gestellt worden. Die Ukraine verdiene den
höchsten Respekt für die Verteidigung ihrer Heimat. Sie verteidige
damit auch Europa und dessen Werte sowie die Einhaltung des
Völkerrechts. Es dürfe nicht das “Recht des Stärkeren” gelten und es
dürfe keine Täter-Opfer-Umkehr geben, denn nicht die Ukraine sei der
Aggressor sondern Russland, betonte der Staatssekretär.

Österreich unterstütze Initiativen, die zum Ende des Krieges und
zu Frieden führen sollen. Ein gerechter nachhaltiger Frieden könne
nur durch Verhandlungen mit allen relevanten Akteuren erreicht
werden. Gespräche über die Ukraine dürften dabei aber nicht ohne
diese erfolgen, betonte Pröll. Zudem sei für Friedensverhandlungen
das Engagement beider Seiten notwendig. Russland lehne aber bis heute
einen bedingungslosen Waffenstillstand ab und Putin sei nicht an
Verhandlungen interessiert. Man wolle daher gemeinsam mit den
internationalen und EU-Partnern die Bemühungen für Frieden “mit allen
Kräften” fortsetzen. Österreich habe sich auch mehrfach als neutraler
Austragungsort für ernsthafte Friedensgespräche angeboten.

Der heutige Besuch des ukrainischen Präsidenten erfolge auf
Grundlage einer Einladung von Bundespräsident Alexander Van der
Bellen, betonte Pröll. Neben den Bemühungen für Frieden sei einer der
weiteren Schwerpunkte des Besuchs die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Dazu soll auch eine Absichtserklärung zu wirtschaftlicher
Zusammenarbeit mit einem Fokus auf die Beteiligung österreichischer
Firmen am Wiederaufbau unterzeichnet werden. Der Wiederaufbau sei
eine große Chance für österreichische Unternehmen. Dazu werde auch
die Abhaltung einer Wiederaufbaukonferenz in Österreich angestrebt. (
Fortsetzung Nationalrat) pst

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.