Genf/Wien (OTS) – Die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen ist im
vergangenen Jahr
erneut gestiegen. Nach Angaben von UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk
der Vereinten Nationen, waren Ende April weltweit 122,1 Millionen
Menschen vor Krieg und Verfolgung geflohen, gut zwei Millionen mehr
als ein Jahr zuvor. Das geht aus dem jährlichen „Global Trends“-
Bericht hervor, den UNHCR am Donnerstag veröffentlichte. Dabei flohen
die meisten Menschen vor Kriegen und großen Konflikten, vor allem im
Sudan, Myanmar und der Ukraine. Zugleich trifft diese noch nie
dagewesene Zahl an Vertriebenen auf die größte Finanzkrise bei der
Hilfe für diese Menschen in der 75-jährigen Geschichte von UNHCR.
Einziger Lichtblick ist die Zahl der Rückkehrer*innen, die ebenfalls
leicht stieg.
In Österreich sind die Asylanträge im gleichen Zeitraum deutlich
zurückgegangen. Insgesamt wurden 22.254 neue Asylanträge verzeichnet,
im Vergleich dazu waren es im Jahr 2023 56.158 Anträge.
„Wir leben in einer Zeit starker Unbeständigkeit in den
internationalen Beziehungen. Die moderne Kriegsführung hat eine
fragile und erschütternde Situation geschaffen, die von großem
menschlichem Leid geprägt ist“, sagte UN-Flüchtlingshochkommissar
Filippo Grandi. „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um
Frieden zu schaffen und dauerhafte Lösungen zu finden. Für
Flüchtlinge und für andere Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer
Heimat zu fliehen.”
Der Bericht enthält nicht nur die Zahl der Flüchtlinge, also der
Menschen, die bei ihrer Flucht eine internationale Grenze
überschritten haben. Deren Zahl blieb weitgehend stabil bei 42,7
Millionen und beinhaltet 31 Millionen Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat,
5,9 Millionen Palästinenser*innen unter UNRWA-Mandat und 5,9
Millionen Venezolaner*innen, die in eine gesonderte Kategorie fallen.
Die Zahl der Menschen, die innerhalb ihres Landes fliehen mussten,
wuchs deutlich um 6,3 Millionen auf 73,5 Millionen Binnenvertriebene.
Hinzu kommen 8,4 Millionen Asylsuchende, auch das ein deutlicher
Anstieg um mehr als 1,5 Millionen.
Der Krieg im Sudan hat die größte Vertreibungskrise der Welt
verursacht, von der 14,3 Millionen Menschen betroffen sind. Der Sudan
löst damit Syrien (13,5 Millionen) ab. Es folgen Afghanistan mit 10,3
Millionen und die Ukraine mit 8,8 Millionen Vertriebenen.
In der Regel sind viel mehr Menschen im eigenen Land auf der
Flucht als über Grenzen hinweg. Im Falle des Sudans zum Beispiel ist
die Zahl der Binnenvertriebenen fast doppelt so hoch wie die der
Flüchtlinge.
Mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge weltweit leben im direkten
Nachbarland. Davon fanden 73 Prozent Schutz in Ländern mit niedrigen
oder mittleren Einkommen. Fast jede*r Vierte, 23 Prozent, lebt sogar
in Staaten, die zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. Und 60
Prozent der Menschen, die gewaltsam vertrieben wurden, verlassen
nicht einmal das eigene Land, sondern fliehen innerhalb ihres
Heimatlandes. Nach Europa kommt nur ein Bruchteil der Vertriebenen.
Während sich die Zahl der vertriebenen Menschen in den letzten
zehn Jahren fast verdoppelt hat, liegen die UNHCR zur Verfügung
stehenden Mittel heute in etwa auf dem gleichen Stand wie 2015,
angesichts von massiven und anhaltenden Kürzungen der humanitären
Hilfe. Diese Situation ist unhaltbar und gefährdet Flüchtlinge und
andere Menschen, die vor Gefahren fliehen, noch mehr.
„Trotz der verheerenden Kürzungen haben wir in den letzten sechs
Monaten einige Lichtblicke gesehen“, sagte Grandi. „Fast zwei
Millionen Syrerinnen und Syrer konnten nach mehr als einem Jahrzehnt
der Entwurzelung in ihre Heimatorte zurückkehren. Aber das Land ist
nach wie vor labil und die Menschen brauchen unsere Hilfe, um ihr
Leben wieder aufbauen zu können.” Insgesamt kehrten im vergangenen
Jahr 9,8 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen in ihre Heimat
zurück, darunter 1,6 Millionen Flüchtlinge (so viele wie schon seit
mehr als zwei Jahrzehnten nicht) und 8,2 Millionen Binnenvertriebene
(die zweithöchste je registrierte Zahl).
Die Heimkehr von vielen dieser Menschen war aber von Konflikten,
Unsicherheit und Not überschattet. So kehrten viele Afghan*innen
unter Zwang und äußerst prekären Umständen in ihre Heimat zurück. Und
neben Rückkehrer*innen gab es auch neue Vertreibungen, gerade zum
Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo, in Myanmar und im
Südsudan.
Der Bericht ruft auch dazu auf, die Finanzierung der weltweiten
Hilfe für Flüchtlinge sicherzustellen. Die Programme von UNHCR helfen
Flüchtlingen und Binnenvertriebenen und retten dabei jeden Tag Leben.
Die Verbesserung der Infrastruktur und der sozialen Systeme in den
großen Aufnahmeländern des sogenannten globalen Südens sind auch eine
Investition in die regionale und die globale Sicherheit.
Den gesamten Bericht und weitere Materialien finden Sie unter:
https://www.unhcr.org/global-trends-2024-media-page