Die jüngste Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) hat hohe Wellen geschlagen. Am 23. Juni 2025 äußerte sich Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, entschieden gegen die neuesten Forderungen der Gewerkschaft GPA. Diese verlangt zusätzliche Beauftragte und eine Mindestbesetzung in Filialen – Forderungen, die laut Trefelik nicht nur unrealistisch, sondern auch kontraproduktiv sind. Doch was steckt hinter dieser hitzigen Debatte? Und welche Auswirkungen könnte sie auf den Einzelhandel haben?
Was steckt hinter den Forderungen der GPA?
Die Gewerkschaft GPA hat in den letzten Monaten verstärkt auf die Sicherheit und die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel aufmerksam gemacht. Ein zentrales Anliegen ist die Vermeidung von Gewalt am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft schlägt vor, zusätzliche Sicherheitsbeauftragte einzusetzen und eine Mindestbesetzung in den Filialen zu gewährleisten, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen.
Diese Forderungen kommen nicht von ungefähr. In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über Übergriffe und unsichere Arbeitsbedingungen im Einzelhandel. Doch die Wirtschaftskammer Österreich sieht die Situation anders.
Die Studie der Johannes Kepler Universität
Laut einer Studie der Johannes Kepler Universität Linz, die im Auftrag der Bundessparte Handel durchgeführt wurde, sind 79 Prozent der befragten Einzelhandelsmitarbeiter mit ihrer Tätigkeit zufrieden. 81 Prozent bewerten ihren Arbeitgeber positiv. Diese Zahlen stehen im krassen Gegensatz zu den Aussagen der Gewerkschaft GPA. Doch wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen?
Trefeliks Argumente gegen die Forderungen
Rainer Trefelik betont, dass die Arbeit im Handel von zwischenmenschlichen Beziehungen lebt. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter sei hoch, und die Forderungen der Gewerkschaft würden die Realität verkennen. „Noch ein zusätzlicher Beauftragter schafft in erster Linie mehr Bürokratie und kaum mehr Sicherheit“, so Trefelik.
Darüber hinaus verweist Trefelik auf den Fachkräftemangel im Handel. Eine Mindestbesetzung sei schlichtweg nicht umsetzbar, da es bereits jetzt schwierig sei, ausreichend Personal zu finden. „Wenn man das zu Ende denkt, müsste ich ja auch einen Mindestumsatz festlegen und allen Konsument:innen, die das Geschäft betreten, Mindesteinkäufe vorschreiben“, erklärt Trefelik.
Historische Perspektive: Der Wandel im Einzelhandel
Der Einzelhandel hat in den letzten Jahrzehnten einen enormen Wandel durchlaufen. Von der klassischen Tante-Emma-Laden-Atmosphäre hin zu großen Einkaufszentren und Online-Shops. Diese Entwicklungen haben nicht nur das Konsumentenverhalten verändert, sondern auch die Arbeitsbedingungen im Handel.
Bereits in den 1990er Jahren begann der Trend zu größeren Filialen und längeren Öffnungszeiten. Die Digitalisierung hat diesen Wandel weiter beschleunigt. Online-Shopping und automatisierte Kassensysteme stellen den klassischen Einzelhandel vor neue Herausforderungen.
Auswirkungen auf die Bürger
Für die Bürger könnte die aktuelle Debatte weitreichende Folgen haben. Sollte die Gewerkschaft mit ihren Forderungen durchkommen, könnten die Kosten für den Einzelhandel steigen. Diese Kosten würden wahrscheinlich an die Konsumenten weitergegeben werden, was zu höheren Preisen führen könnte.
Gleichzeitig könnte eine Mindestbesetzung zu einer Verringerung der Flexibilität führen. Kleinere Filialen könnten gezwungen sein, ihre Öffnungszeiten zu reduzieren, wenn sie die geforderte Personalstärke nicht gewährleisten können.
Expertenmeinungen zur aktuellen Situation
Dr. Anna Müller, Expertin für Arbeitsrecht an der Universität Wien, sieht die Forderungen der Gewerkschaft kritisch: „Zusätzliche Beauftragte und eine Mindestbesetzung klingen auf den ersten Blick sinnvoll, aber sie müssen auch umsetzbar sein. Der Fachkräftemangel ist ein reales Problem, das nicht ignoriert werden kann.“
Auch der Wirtschaftsexperte Thomas Berger warnt vor möglichen Kollateralschäden: „Die bürokratischen Hürden könnten steigen, und das in einem Sektor, der ohnehin schon unter Druck steht. Der Einzelhandel muss flexibel bleiben, um auf die Bedürfnisse der Konsumenten reagieren zu können.“
Ein Blick in die Zukunft
Wie wird sich der Einzelhandel in Österreich weiterentwickeln? Die Digitalisierung wird zweifellos eine zentrale Rolle spielen. Immer mehr Unternehmen setzen auf Online-Plattformen und automatisierte Prozesse, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Doch auch die Diskussion um Arbeitsbedingungen und Sicherheit wird weitergehen. Die Gewerkschaften werden weiterhin auf Verbesserungen drängen, während die Arbeitgeber versuchen, wirtschaftlich tragbare Lösungen zu finden.
Politische Zusammenhänge und Abhängigkeiten
Die Debatte um die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel ist auch politisch brisant. In einem Land wie Österreich, wo der soziale Dialog traditionell stark ausgeprägt ist, müssen Gewerkschaften und Arbeitgeber immer wieder Kompromisse finden.
Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklungen genau, da der Einzelhandel ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Maßnahmen zur Unterstützung des Handels und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels könnten in den kommenden Monaten auf der politischen Agenda stehen.
Fazit: Eine komplexe Herausforderung
Die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft GPA und die Reaktion der Wirtschaftskammer Österreich zeigen, wie komplex die Herausforderungen im Einzelhandel sind. Während die Sicherheit der Mitarbeiter oberste Priorität haben sollte, müssen die Lösungen auch realistisch und umsetzbar sein.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Kompromisse gefunden werden können. Sicher ist jedoch, dass der Einzelhandel in Österreich vor spannenden, aber auch herausfordernden Zeiten steht.