Wien, 23. Juni 2025 – Der österreichische Handelsverband sorgt für Aufsehen mit einem Aufruf, der die Modewelt revolutionieren könnte: Ein nationales Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz soll die Online-Modebranche aufrütteln und die ökologischen wie sozialen Schattenseiten der Billigproduktion eindämmen. Doch was genau steckt hinter diesem Gesetz und wie könnte es die Modewelt verändern?
Was ist Ultra-Fast-Fashion?
Ultra-Fast-Fashion ist ein Geschäftsmodell, das auf der extrem schnellen Produktion und dem Vertrieb von Mode basiert. Plattformen wie Shein und Temu sind berüchtigt dafür, Trends in Rekordzeit von den Laufstegen in die Online-Shops zu bringen. Dabei werden oft minderwertige Materialien verwendet, um die Kosten niedrig zu halten, was zu einer massiven Umweltbelastung führt. Diese Mode ist nicht nur billig, sondern auch kurzlebig – ein Konzept, das sowohl die Umwelt belastet als auch die Existenz traditioneller Modeunternehmen bedroht.
Warum ein Gesetz?
Der Handelsverband Österreichs sieht dringenden Handlungsbedarf, um ein „Level Playing Field“ im Onlinehandel zu schaffen. Vorbild ist Frankreich, wo der Senat bereits am 10. Juni 2025 einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, der genau diese Praktiken regulieren soll. Ziel ist es, den ökologischen und sozialen Auswirkungen entgegenzuwirken und einen Bewusstseinswandel bei der jungen Zielgruppe anzustoßen.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen
1. Strafzahlungen für umweltschädliche Produkte
Produkte, die mit giftigen Chemikalien belastet sind, sollen mit einem Strafzuschlag von mindestens 5 Euro belegt werden. Diese Maßnahme zielt darauf ab, umweltfreundlichere Produktionsmethoden zu fördern und den Konsum von Billigmode zu reduzieren.
2. Werbeverbote
Ein weiterer Vorschlag ist ein Werbeverbot für Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Temu, Shein oder AliExpress. Dieses Verbot soll sowohl klassische Kanäle als auch Social Media umfassen und auch heimische Influencer betreffen, die solche Produkte bewerben. Ziel ist es, die Sichtbarkeit dieser Marken zu reduzieren und den Marktanteil europäischer Anbieter zu stärken.
3. Handling Fee für B2C-Paketlieferungen
Alle B2C-Paketlieferungen aus Drittstaaten sollen mit einer Abgabe von mindestens 2 Euro belegt werden. Diese Gebühr soll dazu beitragen, die Umweltauswirkungen der Paketlieferungen zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Händler zu verbessern.
Historische Hintergründe und internationale Vergleiche
Die Modebranche hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Mit dem Aufstieg des Internets in den 2000er Jahren begann auch der Boom des Online-Shoppings. Plattformen wie ASOS und Zalando setzten neue Standards in Sachen Verfügbarkeit und Preisgestaltung. Doch mit der Ultra-Fast-Fashion kam eine neue Dimension hinzu: Mode wurde nicht nur schnell, sondern auch extrem billig. Diese Entwicklung führte zu einem massiven Anstieg des Textilmülls und einer Verschärfung der Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Frankreich hat als eines der ersten Länder erkannt, dass es hier Regelungsbedarf gibt, und könnte nun als Vorbild für andere europäische Staaten dienen.
Konkrete Auswirkungen auf Bürger
Für die Konsumenten bedeutet das geplante Gesetz vor allem eines: Ein Umdenken beim Modekauf. Die Zeiten der Schnäppchenjagd könnten vorbei sein, wenn umweltschädliche Produkte teurer werden und die Auswahl durch Werbeverbote eingeschränkt wird. Für viele junge Menschen, die Ultra-Fast-Fashion als erschwingliche Möglichkeit sehen, modisch up-to-date zu bleiben, könnte dies eine Herausforderung darstellen. Andererseits eröffnet es auch die Chance, nachhaltiger zu konsumieren und bewusster mit Ressourcen umzugehen.
Expertenmeinungen
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, erklärt: „Unser Ziel ist es nicht, europäische Händler zu benachteiligen, sondern vielmehr, sie zu stärken. Europäische Unternehmen, die sich mit nachhaltiger Produktion beschäftigen, müssen durch diese Rahmenbedingungen unterstützt werden.“
Eine weitere Stimme aus der Wirtschaft, Dr. Anna Müller, Expertin für nachhaltige Mode, ergänzt: „Dieses Gesetz könnte ein Meilenstein in der Modebranche sein. Es zwingt die Unternehmen, ihre Produktionsmethoden zu überdenken, und bietet gleichzeitig eine Chance für nachhaltige Marken, sich am Markt zu etablieren.“
Zukunftsausblick
Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Der französische Gesetzentwurf wird im September weiterverhandelt und könnte noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Sollte sich Österreich tatsächlich an Frankreich orientieren, könnte dies weitreichende Folgen für die europäische Modebranche haben. Die Abschaffung der EU-Zollfreigrenze von 150 Euro, die erst 2028 geplant ist, könnte beschleunigt werden, um den Markt zu regulieren und die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern.
Langfristig könnte das Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz dazu beitragen, die Modebranche nachhaltiger zu gestalten und den Fokus auf Qualität statt Quantität zu legen. Dies wäre nicht nur ein Gewinn für die Umwelt, sondern auch für die Verbraucher, die von langlebigeren und hochwertigeren Produkten profitieren könnten.
Der Druck auf die EU-Kommission wächst, schnell zu handeln und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Onlinehandel zu verschärfen. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden können und welche Auswirkungen sie auf die internationalen Handelsbeziehungen haben werden.
Politische Zusammenhänge
Die Modeindustrie steht nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen im Fokus. Die Beziehungen zwischen der EU und China sind angespannt, und Handelsbeschränkungen könnten als Druckmittel in internationalen Verhandlungen eingesetzt werden. Die USA haben bereits Anfang April 2025 ihre Zollfreigrenze abgeschafft, was zu einer Umlenkung der Handelsströme nach Europa führte. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf die EU, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu sichern.
Fazit
Das geplante Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz könnte ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Modeindustrie sein. Es fordert sowohl Unternehmen als auch Konsumenten heraus, ihre Gewohnheiten zu überdenken und neue Wege zu gehen. Ob es gelingt, die Ultra-Fast-Fashion-Plattformen in ihre Schranken zu weisen und gleichzeitig europäische Anbieter zu stärken, wird die Zukunft zeigen. Fakt ist jedoch: Die Modewelt steht vor einem Wandel, der weit über die Grenzen Österreichs hinausreichen könnte.